Erlebnisberichte


Das Jesusgebet im Leben des Starez Siluan


Starez Siluan wurde 1866 geboren und verstarb am 24. September 1938 auf dem Berg Athos. Ihm wurde eine seltene Gnade zuteil. Auf die Fürbitte der Gottesmutter erhielt er vor ihrer Ikone sehr früh die Gnade des immerwährenden Herzensgebets. Diese Gnade ist nur wenigen geschenkt und außergewöhnlich. Sie zeigt aber, dass die Gottesmutter die Fürbitterin zur Erlangung des immerwährenden Gebetes ist. In der von Archimandrit Sophronius herausgegebenen Biographie des Starez Siluan heißt es: „Das vielfache Anrufen des heiligsten Namens Jesu erquickte die Seele des Bruders Simeon (später Starez Siluan). Er freute sich, als er erfuhr, dass man dieses Gebet immer und überall beten könne, bei jeder Arbeit und in jeder Lage, ja, auch während des Gottesdienstes…
 
Er betete viel und mit Inbrunst, denn seine Seele war in schwerer Bedrängnis. Nach etwa drei Wochen geschah es, dass eines Abends beim Beten vor dem Bild der Muttergottes das Jesusgebet in sein Herz kam und in ihm blieb Tag und Nacht; Simeon verstand jedoch damals noch nicht die Größe und die Seltenheit der Gabe, die er von der Gottesmutter empfangen hatte.“
 
Nach dem Empfang dieser großen Gnade blieben jedoch auch die Prüfungen im Leben des Starez Siluan nicht aus. Er war von Gott dazu bestimmt, ein großer Helfer gegen Verzweiflung und Depression zu werden und deshalb ließ es Gott zu, dass er bis an den äußersten Rand der Verzweiflung geprüft wurde. Er gab jedoch nicht auf und verrichtete das Jesusgebet. Nachfolgend folgt die Beschreibung seiner großen Prüfung der Verzweiflung und inneren Verlassenheit während eines Abends in seiner Zelle. 
Starez Siluan
Starez Siluan
„So verging ein Monat nach dem anderen, und die Qual der dämonischen Angriffe wuchs. Die geistigen Kräfte des jungen Novizen nahmen ab, und seine Standhaftigkeit litt, die Angst vor dem Untergang und die Verzweiflung wuchsen. Der Schrecken der Hoffnungslosigkeit beherrschte mehr und mehr sein Wesen. Wer Ähnliches durchgemacht hat, weiß, dass menschliche Kraft allein diesen Dingen nicht standhalten kann. Bruder Simeon geriet an die äußerste Grenze der Verzweiflung. Zur abendlichen Zeit saß er in seiner Zelle und dachte: „Bei Gott etwas zu erbitten ist unmöglich.“ Bei diesen Gedanken fühlte er eine völlige Verlassenheit, und seine Seele sank in die Finsternis höllischer Qualen und in Verzagtheit. Etwa eine Stunde blieb er in diesem Zustand.
 
Am selben Tag sah er während des Abendgottesdienstes – auf der Mühle, in der Kirche des heiligen Propheten Elias, rechts von der „Königstür“, dort, wo sich die Ikone des Heilands befindet – den lebendigen Christus.
 
Unfasslich erschien der Herr dem jungen Novizen. Sein ganzes Wesen, sein ganzer Leib wurde erfüllt von dem Feuer der Gnade des Heiligen Geistes, dem Feuer, das der Herr mit seinem Kommen auf die Erde gebracht hat (vgl. Lk 12,49). Unter dem Eindruck dieser Vision fühlte sich Simeon erschöpft – und die Erscheinung schwand. Es ist nicht möglich, den Zustand zu beschreiben, in dem er sich in jener Stunde befand. Wir wissen aus dem Mund und aus den Schriften des seligen Starez, dass ihn damals das große göttliche Licht umfing, dass er aus dieser Welt heraus und im Geist zum Himmel emporgehoben wurde, wo er unaussprechliche Worte hörte, dass er in jenem Augenblick gleichsam „von oben her neu geboren wurde“ (vgl. Joh 1, 13; 3,3). Der sanfte Blick des allverzeihenden, grenzenlos liebenden Christus zog den ganzen Menschen zu sich, und dann, als die Erscheinung verschwunden war, führte er den Geist Simeons mit der Sanftheit seiner Liebe in die göttliche Schau jenseits aller Bilder dieser Welt. 
Dieser Bericht aus dem Leben des Starez Siluan zeigt, dass das Jesusgebet für ihn die Vorbereitung und Hilfe für seine Begegnung mit Christus war. Er erkannte als seine besondere Berufung  unter Tränen für das Heil der Welt zu beten. Diese Berufung des Betens unter Tränen für das Heil der Welt war bei Starez Siluan verbunden mit einer wunderbaren Sanftmut und großer Barmherzigkeit. (Die Zitate aus seiner Biographie sind entnommen aus: Starez Siluan, Mönch vom Berg Athos, Band 1, Sein Leben und seine Lehre, Patmos-Verlag, Düsseldorf 1980).
 
Anmerkung: Wir bitten alle jene, die das Jesusgebet üben, sich nach Möglichkeit einem älteren und erfahrenen geistlichen Vater anzuvertrauen. Ein unvorsichtiges Üben von Atemtechniken und der Konzentration auf das Herz kann bei Übertreibungen zu gesundheitlichen Schäden führen. Die erfahrenen Lehrer des Jesusgebets betonen immer wieder, dass diese äußerlichen Techniken nicht das Wesentliche des Gebets darstellen. Wir empfehlen also jedem, sich einem guten Beichtvater anzuvertrauen und nicht zu übertreiben. Eine bescheidene und regelmäßig durchgehaltene Gebetsregel führt zu mehr als einem Übermaß, das man sich in einem Anfangseifer auferlegt und hinterher nicht durchhält.
 
Zum Jesusgebet gehört ein Leben mit den Sakramenten. Die regelmäßige Beichte und der ehrfürchtige Empfang der Heiligsten Eucharistie sind der fruchtbare Boden, auf dem das Jesusgebet gedeiht. 

Der Mönch Johannes zum Jesusgebet


„Als ich zum Kloster von Neamtu (Rumänien) kam und von Vater Paisius hörte, wie man das Jesusgebet beginnen und fortsetzen sollte, begann ich es zu praktizieren. Dieses Gebet erschien mir so süß, dass ich es allem anderen vorzog. Aus diesem Grund vermied ich den Umgang mit anderen Mönchen, liebte die Stille, war gewöhnt, mich oft in die Einsamkeit zurückzuziehen, und rannte fort von allen Versuchungen und am meisten vor allem überflüssigen Gerede. Um des Gebetes willen machte ich zweimal eine Pilgerfahrt, erschöpfte mich mit Gehorsam und harter Arbeit, Kniebeugen und Nachtwachen, um das immerwährende Gebet zu erlangen. Um dieses Gebetes willen hielt ich mich auch oft in der Einsamkeit auf. Um es zu erlangen, wandte ich meine Kraft auf und wurde sehr schwach.

Ich fuhr fort auf diesem Weg für viele Jahre und allmählich wurde das Gebet tiefer. Danach, als ich in der Skete der Gottesmutter vom Schutz wohnte, suchte der Herr mich heim wegen dem Gebet von Vater Platon. Unbeschreibliche Freude überschattete mein Herz und das Gebet begann sich von selbst zu verrichten. Es ist süß, sodass es mir nicht erlaubt zu schlafen. Ich schlafe nur eine Stunde während 24 Stunden und das aufrecht. Und ich erhebe mich wieder, wie wenn ich nie geschlafen hätte, weil nämlich, während ich schlafe, mein Herz wacht und das Gebet beginnt, seine Früchte hervorzubringen. Es ist wahr, das Königreich Gottes ist in uns. In mir wurde eine Liebe zu jedem geboren, etwas Unbeschreibliches und Tränen. Ich möchte unaufhörlich weinen. Die Heilige Schrift, besonders das Evangelium und die Psalmen, wurden mir so süß, dass ich sie niemals genug genießen kann. Jedes Wort erstaunt mich und lässt mich weinen. 0 Gott, Du offenbarst mir Deine unbegreifliche und geheimnisvolle Weisheit.
Der Prophet Elijah wird im Feuerwagen entrückt. Sein Schüler Elisha erhält Anteil an seinem Geist. Zeichnung von Heinrich Wolf.
Der Prophet Elijah wird im Feuerwagen entrückt. Sein Schüler Elisha erhält Anteil an seinem Geist. Zeichnung von Heinrich Wolf.
Der hl. Starez Seraphim von Sarow (1759-1833). 12 Erscheinungen der Gottesmutter wurden ihm zuteil. Er ist der beliebteste Heilige Russlands. @Copyright by Twarkowsky Ikonen Bonn.
Der hl. Starez Seraphim von Sarow (1759-1833). 12 Erscheinungen der Gottesmutter wurden ihm zuteil. Er ist der beliebteste Heilige Russlands. @Copyright by Twarkowsky Ikonen Bonn.
Oft am Abend erhebe ich mich, um die Psalmen zu lesen oder in das Jesusgebet einzutreten und ich erfahre eine Ekstase. Ich trete aus aus mir selber, ob im Körper oder außerhalb des Körpers, und zu welchem Platz, weiß ich nicht. Gott weiß es. Wenn ich zu mir komme, scheint die Sonne. Aber die Versuchungen des Fleisches bedrängen mich, um mich zu quälen, damit ich demütig bleibe. Ich kann nicht mit Menschen leben, besonders mit Laien. Ich kann nicht einmal mit Frauen reden. Mehr als 40 Jahre gingen vorüber in Moldawien, ohne dass eine Frau mich besuchte, obwohl viele mit mir reden wollten. Ich lehnte es immer ab, sie zu sehen. Ich erfuhr viele Versuchungen und Leiden von unserem Gegner, dem Teufel, der mich immer noch quält'''. (Wisdom for the journey, Conversations with Spiritual Fathers of the Christian East, Serge Bolshakoff, New York 2001, Society of St. Paul, S. 156-157, Übersetzung aus dem Englischen, abgekürzt: Weisheit)

„Das Jesusgebet ist wie ein unsichtbarer geistlicher Strom, der unaufhörlich die Kraft Gottes — Seine heilige Gnade — von der immerfließenden Quelle Jesus Christus, dem Sohn Gottes her in unsere Seele gießt und niemals kraftlos wird, sondern in dem Maße, wie unser geistliches Volumen sich erweitert, seine Gnadenströme noch vermehrt" (Schimonach Ilarion, Seite 99)

Der heilige Siluan beschreibt, wie er vor einer Ikone der Gottesmutter die Gabe des immerwährenden Herzensgebetes erhielt. „Als ich ein junger Novize war und eines Tages vor der Ikone der Gottesmutter betete, kam das „Jesusgebet" in mein Herz, blieb dort und verrichtete sich von selbst, immerfort... " (Starez Siluan, Seite 84)